usa 2003 - nach westen

Dies ist nun fast schon das Ende meines diesjährigen Trips und ich muss wieder feststellen, dass hier im Südwesten der USA einfach ein Großteil der Zeit für die Fahrt zwischen den zahlreichen Natursehenswürdigkeiten einzuplanen ist.
Für die nächsten zwei Tage steht wieder strammes Fahren auf dem Plan, denn nun freue ich mich auf die letzte Station San Francisco, die ich am Abend des zweiten Tages erreichen möchte. Alles in allem muss ich hier von Utah aus ca. 900 Meilen größtenteils durch Wüstengebiet fahren, um die Westküste zu erreichen.

Auf wenig mehr als der Hälfte der Strecke liegt inmitten der Wüste Nevadas das fast verlassene Bergbaudorf Tonopah, durch das ich schon im Vorjahr gefahren war. Da ich von Tonopah aus San Francisco leicht in einem Tag erreichen kann, bildet dieser Ort das ehrgeizige Ziel des heutigen Tages.
Bei sonnigem Wetter, aber eiskalten Temperaturen, breche ich um 8 Uhr auf und habe auf dem Freeway 70 freie Fahrt nach Westen. Gegen Mittag wird es durch den Abstieg auf geringere Höhen angenehm warm und von fast alpiner Landschaft bin ich nun in ödes Wüstengebiet hinabgefahren. Es ist eine wahnsinnig einsame Gegend, aber genau das ist es, was das Fahren auf den amerikanischen Highways meiner Meinung nach so reizvoll macht. Durch die 500 Meilen, die ich heute bewältige, erreiche ich Tonopah nicht mehr bei Tageslicht und muss noch ca. 2 Stunden durch die Dunkelheit fahren. Dass es überlebensnotwendig sein kann, immer aufmerksam fahren zu fahren, beweist ein plötzlicher Vorfall, bei dem ich wieder sehr viel Glück habe:

Ich fahre mit ungefähr 55 Meilen (ca. 80 km/h) über die dunkle Landstraße und träume so vor mich hin. Plötzlich taucht vor mir aus dem Nichts eine Herde Kühe auf, die gerade dabei sind die Straße zu überqueren und sich rechts und links der Fahrbahn verteilen. Zum Glück steht keine der Kühe direkt auf der Fahrbahn bzw. gerät in Panik als ich vorüberbrause. Trotz intensiven Bremsens hätte ich unmöglich anhalten können. Womöglich hätte ich die Kühe früher gesehen, wenn sich eine von ihnen auf der Fahrbahn befunden hätte – wer weiß, auf alle Fälle ist mein Adrenalinspiegel am Überlaufen. Auch dieser Vorfall macht mich sehr nachdenklich, denn ich weiß, dass andere Motorradfahrer nicht dieses Glück haben, das mir eigentlich immer zuteil wird.
Wenig später erreiche ich Tonopah und quartiere mich wie im letzten Jahr wieder im Clown-Hotel ein. Nach einem guten Dinner bei einem Mexikaner gehe ich recht früh zu Bett.

Der nächste Tag ist wieder wie gewohnt sehr sonnig und nach einigen Bildern an dem sehr inspirierenden Schrottplatz mit halbverfallenen Gebäuden und Autos begebe ich mich auf den Weg nach San Francisco, der mich hoch in die Berge durch den Yosemite Park und anschließend durch die auch jetzt im Oktober noch sehr heiße Sierra Nevada-Ebene führen wird.
Diese Strecke ist eine meiner absoluten Lieblingsstrecken, denn Sie führt (Highway 50) zunächst durch Wüstengebiet, um sich später in Richtung des Yosemite National Parks landschaftlich immer weiter in alpine Fauna und Flora zu verwandeln. Dies geht klarerweise einher mit einem Höhenanstieg bis auf fast 3.000 Meter, die am Tioga Pass im Yosemite National Park erreicht werden. Dies ist Kaliforniens höchster Pass, auf dem Kraftfahrzeuge zugelassen sind.

Gerade die Fahrt über den Tioga Pass ist super relaxend : strahlender Sonnenschein, wunderbare Landschaft, dazu die frische, kühle Luft und der Geruch Kaliforniens – selten befinde ich mich so im Einklang mit mir selbst wie dort.

Über den Yosemite National Park alles sehens- und erlebenswerte zu schreiben, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, das kann man auch besser in einem Reiseführer nachlesen. Nur sei gesagt, dass wirklich alles Gute was über diesen Park gesagt und geschrieben wird, stimmt und es sich trotz der hohen Besucherzahlen lohnt, ihn zu besuchen: das Valley mit den hoch fast senkrecht aufragenden Felsen, die vielen spektakulären Wasserfälle, die Vielfalt der wilden Tierwelt – man sieht tatsächlich auch noch Bären – und die tollen Hike-Möglichkeiten; all das macht jeden Besuch dieses Parks zu einem fantastischen Erlebnis. UND: das ganze noch auf einem Motorrad erleben zu dürfen, macht es einem schwer, dies nicht jedes Jahr erleben zu wollen. Leider fehlt mir heute die Zeit, das Valley zu besuchen geschweige denn ein bis zwei Tage zu bleiben.

Vom Yosemite Park aus folgt ab jetzt der „Abstieg“ in das auch im Oktober noch über 25 Grad warme Sierra Nevada Valley, in dem mir vor allem der Obstanbau vorherrscht. Mein Gott, freue ich mich auf den Abend: im Licht der untergehenden Sonne über die Oakland Bay Bridge zu fahren und dann in meinem Lieblings-Cafe -The Grove – nahe der Fishermens Wharf inmitten San Franciscos das verdiente Hefe-Weizen zu trinken.
Die Fahrt durch das Valley ist eher unspektakulär, da sich je näher ich S.F. komme immer mehr Orte aneinanderreihen, bis ich ab ca. 50 mi vor S.F. fast nur noch durch nahtlos hintereinander liegende Städte fahre.

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