Nach einem guten Omelett im Cafe de la Reina, breche ich auf, um meine Reise durch den zentralen Korridor nach Süden fortzusetzen.
Als zentraler Korridor wird die große, flache Ebene im Westen abseits der Küste bezeichnet, die sich zwischen den Gebirgsketten
im Osten und Westen bis fast nach Mexiko City zieht und nur ab und an von einem Ausläufer der Sierra Madre unterbrochen wird.
Bemerkenswert ist die Tankstelle in Batopilas: Nachdem ich zweimal vorbeigefahren
war, und fast an mir verzweifle, finde ich sie schließlich: sie besteht eigentlich nur aus einem Lagerraum mit
Benzinfässern, der abgesetzt von der Straße nur über eine Rampe erreichbar ist. Es gibt keine Schilder oder
sonstige Hinweise - da hilft eigentlich nur noch Fragen. Getankt wird schließlich über einen Schlauch, den einem der Tankwart hinunterreicht, nachdem er die
gewünschte Menge Benzin in einen Kanister abgefüllt und das Benzin im Schlauch angesaugt hat.
Die Fahrt aus dem Copper Canyon heraus fällt mir wesentlich leichter als die Fahrt
hinein bzw. herab. Bergauf läßt es sich über den Schotter nun mal sehr viel einfacher
fahren. Zum Glück sind nur sehr wenige unterwegs an diesem Morgen. Es
ist sehr schön zu fahren - viel zu schön ! Als ich langsam auf einen
vorausfahrenden Kleinbus aufschließe, bremst er plötzlich abrupt ab, so daß ich
inmitten einer steilen Steigung komplett zum Stehen komme. Durch den sehr
lockeren Schotter fängt das Motorrad plötzlich an rückwärts zu rutschen und
das durch die angezogene Handbremse blockierte Vorderrad kann das Motorrad nicht halten.
Da ich die Hinterradbremse nicht betätigen und auch die Kupplung nicht
loslassen kann, kann ich kein Gas geben und rutsche langsam rückwärts die abfallende
Piste hinunter. Das Adrenalin kommt mir fast zu den Ohren raus. Schließlich
schlage ich das Lenkrad ein, drehe dadurch senkrecht zum Gefälle und komme mit den Koffern
an der Felswand zum Stehen - Anfängerfehler, aber man ist ja lernfähig.
Leider kann ich noch nicht ganz aufatmen, denn vor dem ganz steilen Aufstieg in
den engen Serpentinen habe ich jetzt noch mehr Bammel. Aber sogar davor werden meine
Nerven noch ziemlich beansprucht, als auf einmal direkt vor mir ein kleiner Steinschlag niedergeht.
Aufgrund des schwierigen Untergrundes kann ich weder schnell anhalten noch nach oben schauen.
So bleibt mir zu hoffen, dass da nichts grösseres nachkommt: Augen zu und durch
! Mein
Schutzengel passt momentan ziemlich gut auf mich auf und dadurch werde ich von
schlimmerem verschont. Dennoch habe ich auch noch so
genug Arbeit, denn gleichzeitig den Schotter und die Felsen auf dem Weg im Auge
zu behalten und auf eventuell hinter den Kurven auftauchende Trucks bzw. Tiere
zu achten erfordert vollste Konzentration. Mann, freue ich mich jetzt vielleicht auf einen langgezogenen Highway, wo
ich während der Fahrt mal wieder ein bisschen träumen
kann.
Oben an der Gabelung, wo die Schotterpiste auf den Highway nach Hidalgo de Parral
(mein nächstes Ziel in Richtung Süden) bzw zurück nach Creel führt, reinige und
schmiere ich erstmal die
Kette. Die Verschnaufpause tut richtig gut.
Um Parral vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, muss ich mich nun beeilen. Die Fahrt ist sehr abwechslungsreich, sie führt
durch hügeliges Gelände und die Temperaturen sind wieder einmal phantastisch zum Motorradfahren.
Ein gutes Gefühl geben mir die immer wieder freundlich grüßenden Autofahrer. Besonders schön
ist es, als einige Schulkinder vom Schulhof an die Straße flitzen, um mir beim Vorüberfahren zuzuwinken.
Durch zügiges Fahren und nur kurze Bilderstopps erreiche ich mein ehrgeiziges Ziel,
noch bei Tageslicht in Parral einzutreffen. Kurz vor meiner Ankunft komme ich jedoch noch in eine Militärkontrolle. Das mulmige
Gefühl, das ich bei diesen doch recht häufigen Kontrollen immer wieder habe, verläßt mich bei der gesamten Reise nicht, obwohl
es rückblickend
nie größere Probleme gegeben hatte. Bei solchen Kontrollen sieht man sich plötzlich von einer Gruppe 20-jähriger Soldaten mit Maschinenpistolen umringt, die
sich manchmal nicht nur für den Inhalt der Koffer interessieren, sondern auch ganz gern mal Sonnenbrillen und Helme anprobieren.
Mit dem Sonnenuntergang finde ich ein Hotel im Stadtzentrum, das einen sicheren Parkplatz für mein Motorrad bietet und mit ca. 200
Pesos einigermaßen günstig ist. Perfekt, jetzt das Projekt Abendessen !
Hidalgo de Parral ist eine Kleinstadt, die bis heute noch von den Minen lebt, wo Blei, Kupfer, aber vor allem Silber aus den
umliegenden Hügeln gewonnen wird. Mir hat die Innenstadt mit ihren drei großen Kathedralen und dem zentralen Zocalo gut gefallen.
Es gibt jede Menge Geschäfte und Lederartikel wie z.B. Cowboystiefel aus Schlangenleder sind hier sehr günstig zu bekommen.
Das Frühstück am nächsten Morgen verbringe ich mit einem Amerikaner aus Oregon und einem einheimischen Mexikaner.
Da hier recht wenig touristischer Durchgangsverkehr herrscht, war ich Ihnen sofort aufgefallen und sie hatten mich an ihren Tisch
eingeladen. Von ihnen erfahre ich, dass auch der Holzhandel einen wesentlichen Beitrag zur Industrie in Parral leistet.
Von Parral nach Durango, meinem heutigen Etappenziel, führt die Straße weiter durch den zentralen Korridor
in Richtung Süden. Auf der östlich gelegenen
Autobahn fahren die meisten Busse und Autos ohne unnötige Stopps vorbei. Die Landschaft ist auf der von mir gewählten Landstraße
45 jedoch nicht viel aufregender. In the middle of nowhere komme ich wieder in eine Militärkontrolle, die diesmal etwas intensiver
und weniger freundlich vonstatten geht. Da ich danach so schnell als möglich Land gewinnen will, überspringe ich den Stop an der
dortigen Tankstelle, was ich später jedoch mit einigen Nerven bezahlen muß:
kurze Zeit darauf bin ich nämlich gezwungen, einen
Abstecher in ein abseits der Straße gelegenes Dorf zu machen, um nicht ohne Benzin liegenzubleiben.
Obwohl nicht geplant hat sich dieser kleine Ausflug gelohnt, denn an diesem Dorf fährt sonst garantiert jeder vorbei.
Abato, so der Name, sieht aus wie ein mexikanisches Dorf, wie man es sonst nur in den Western sieht: Hauptstrasse
nicht asphaltiert, einige verfallene Gebäude und eine Kirche. Die Tankstelle besteht wie in Batopilas nur aus einem Lagerraum mit
einigen Fässern und Werkzeugen. Der ca. 75 Jahre alte Tankwart trägt die zerfetztesten Schuhe, die ich jemals gesehen habe und hat
kaum noch Zähne im Mund. Er ist sehr freundlich und gerne gebe ich ihm Trinkgeld, zumal ich sehr froh bin, nicht liegengeblieben
zu sein. Während unseres Gespräches vergißt er, den Benzinstand im Tank zu verfolgen und mein Tank badet im Benzin - ich kann
ihm aber dennoch nicht böse sein.
Nach der Wiederaufnahme der Reise ergibt sich im nächsten Dorf ein paar
Kilometer weiter natürlich die Möglichkeit zum Tanken...
Wie gestern komme ich gerade vor Einbruch der Dunkelheit in Durango an. Mitten im Zentrum finde ich in einer abgelegenen Strasse
ein nettes kleines Hotel für 350 Pesos - das Zimmer ist sehr nett und gross und auch das Motorrad scheint im abgelegenen Parkplatz
(über Nacht abgeschlossen) hinreichend sicher zu sein.
Durango ist die Stadt, die mir auf dem bisherigen Verlauf der Reise am besten gefällt. Wenn man von Norden nach Süden fährt,
ist sie die erste Stadt, in der der Einfluss der spanischen Kultur sehr deutlich zu spüren ist. Durango liegt in einer Ebene und
hat ca. 300.000 Einwohner. Sehr schön ist der weitläufige Zocalo mit den vielen Brunnen und der so typisch
für viele mexikanische Städte riesigen Kathedrale. Es ist ein Genuß, am Abend auf einer der zahlreichen schmiedeisernen Bänke zu sitzen und das bunte Treiben zu beobachten.
Wie in vielen anderen mexikanischen Städten wird er Plaza de Armas genannt. Im Umland sind die künstlichen Westernstädte sehenswert (Chupaderos, Villa de Oeste), die als Kulissen für viele Western dienten.
Für zwei Tage spanne ich hier aus, was mir durch den Besuch von sehr stilvollen Restaurants und Bars mit viel Ambiente, guter
Stimmung und Live-Musik sehr leicht fällt- Die Leute sind freundlich und hilfsbereit.
Vor allem die Dame im Papiershop werde ich so schnell nicht vergessen, die mir eine halbe Sunde ihrer Zeit opfert, indem sie mein Päckchen nach Deutschland liebevoll den
strengen mexikanischen Normen gemäß verpackt und mir sogar das Material kostenlos überläßt.
Letztendlich schicke ich das Paket dann doch nicht, da der günstigste Tarif von 270 Pesos dann doch den Wert des Inhalts bei
weitem übersteigt.
Verblüffend ist das Treiben am Sonntagabend rund um den Zocalo: die reine Volksfeststimmung, Autos fahren die Haupstrasse auf und
ab und der Platz ist mit Menschen zum Bersten gefüllt.
Nach den erholsamen zwei Tagen in Durango kommt mit der Fahrt nach Mazatlan an der Küste einer der absoluten Höhepunkte der Reise:
von vielen Motorradfahrern hatte ich schon von der Espinazo de Diablo, dem Rückrad des Teufels, gehört.
Diese Straße wird von vielen als
beste Motorradstrecke der Welt überhaupt gepriesen: tausende von Kurven auf einer
Strecke von 250 km durch eine fantastische
Berglandschaft mit schroffen Felsen und tiefen Tälern. Die Straße ist von hervorragender Beschaffenheit und bis zur Wasserscheide geht
es hoch bis auf über 2.500 m. Da Montag ist, bin ich nicht vom Wochenendverkehr betroffen und bei strahlendem Sonnenschein fast
alleine auf der Strecke.
Bemerkenswert ist auch die Flora, die von typischer Hochgebirgsflora in gemäßigte und jenseits der Wasserscheide in tropische
übergeht.
Ca. eine Stunde bevor ich die Küste erreiche, komme ich wieder nach Sinaloa, dem Staat, über den ich schon so viel
schlechtes gehört hatte und der Gedanke an die Überfälle bewegt mich dazu, Mazatlan großräumig zu umfahren und auf den Highway 15
nach Süden abzubiegen. Die Strecke ist sehr stark von LKWs frequentiert. Mit der Ankunft in Acaponeta habe ich Sinaloa
verlassen und bin ziemlich erleichtert. Im Stadtzentrum von Acaponeta kann ich im alteingesessenen Hotel ein recht günstiges
Zimmer bekommen und da lohnt sich wieder die Strategie, in kleinen und mittelgroßen Städten immer gleich zum Zentrum zu fahren, da
es dort fast immer in den traditionellen Hotels günstige Zimmer gibt. Ein bisschen wundere
ich mich über die Blicke der Rezeptionistin, die schaut, als ob sie noch nie einen Ausländer gesehene hätte. Auf dem Zimmer sehe
ich dann aber die Erklärung, als ich im Spiegel in mein vom Russ der vielen
LKWs geschwärztes Gesicht sehe.