In Piedras Negras angekommen staut sich der Verkehr in Richtung der USA . Neben
mir fährt eine brandneue BMW R1150 GS. Als wir zum Stehen kommen, spricht mich
der Fahrer an. Er ist Mexikaner und als ich ihm erzähle, wo ich überall war,
stellt sich heraus, das er in Durango ein gutgehendes Restaurant besitzt und ein
guter Freund des freundlichen Eigentümer meines Lieblingsrestaurants ist - wie
klein doch die Welt ist. Beim Verabschieden gibt er mir seine Karte und
verspricht mir ein gutes Abendessen, falls ich bei meiner nächsten Reise wieder
in Durango vorbeikommen sollte.
Nach dem Überqueren der Brücke rückt fast bedrohlich der Grenzposten der USA
näher. Auf jeder der 5 Spuren muß jedes Fahrzeug einzeln vorfahren und wird durch eine automatische Kamera gescannt. Da mein Besuchervisum zwischenzeitlich abgelaufen war,
werde ich aussortiert und muss mir ein Neues ausstellen lassen, was hier aber $6
kostet. Nach einem kleinen Plausch mit dem fülligen und gemütlich-freundlichen
Beamten, bekomme ich noch eine Texaskarte geschenkt, nachdem sich während unseres
Gesprächs herausstellt, dass ich noch keine habe. Er will unbedingt sehen, mit
welchem Motorrad man das Abenteuer Mexiko überlebt und begleitet mich nach
draussen.
Trotz seiner Anwesenheit checken seine Kollegen vom Zoll meine Koffer und
wollen sehr genau wissen, was ich mit mir führe. So, nun bin ich also wieder
in den USA, irgendwie schön ! Die warme Herbstsonne strahlt vom Himmel und auf
den Straßen sammelt sich das gefallene Laub. Ich erfreue mich an den typisch amerikanischen Häusern im Villenstil mit
großzügig angelegtem Vorgarten. Es ist herrlich, die Spannung und Wachsamkeit, die mich in Mexiko ständig
begleitet hatte, ablegen zu können und im warmen Sonnenschein den Highway nach Del Rio entlang zu fahren. Ich
schaffe es gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit in einen kleinen Ort namens Sanderson.
Ohne die Sonne wird es schnell ziemlich kühl. Sanderson ist ein typisch
amerikanisches Nest mit einem Hotel und einer Tankstelle. Das Hotel ist
ebenfalls typisch mit einem Parkplatz direkt vor dem Hotelzimmer und eigenem Eingang.
Den Abend verbringe ich mit selbst gekochter Suppe und Kaffee beim Fernsehen
gemütlich im Zimmer.
Am nächsten Morgen ist es frostig kalt, kein Wunder schließlich ist es der
zweite Dezember. Aber zum Glück ist der Himmel blau und die Sonne erhebt sich
langsam über den Horizont. Nach ein paar Minuten Fahrt in eisiger Luft finde ich einen guten
Platz für ein paar gute Highwayfotos. Während dieser Zeit heizt die Sonne gut ein und
anschließend ist es super angenehm zu fahren.
Das heutige Ziel heißt Santa Fe. Über diese Stadt hatte ich schon oft soviel
Gutes gehört, aber da sie in New Mexico ziemlich weit östlich und ausserhalb
der üblichen Südwest-Reise-Route liegt, hatte ich nie eine Gelegenheit sie zu
besuchen. Alerdings ist es noch eine sehr lange Reise bis dahin, zumal ich noch einen Ölwechsel in einer Motorradwerkstätte durchführen
will.
Leider finde ich im 65 Meilen weiter nördlich gelegenen Fort Stockton keinen
Motorradshop und so versuche ich mein Glück in einem Autoladen. Dort treffe ich
auf sehr nette und hilfsbereite Texaner, die mich liebenswürdigerweise den
Ölwechsel direkt vor der angeschlossenen Werkstatt machen lassen und mir sämtliches Werkzeug und Ölwanne
leihen. Das Wetter ist herrlich und den Mittag verbringe ich gutgelaunt in einem amerikanischen Steakhouse sitzend, das ganz im
texanischen Stil erbaut war - nur der Klavierspieler und die Pokerspieler fehlen
noch, dann wäre das Bild perfekt gewesen.
Der weitere Weg führte mich durch fantastische Wüstenlandschaft und typisch amerikanische
Kleinstädte mit breiter Hauptstrasse und ab und zu einem McDonalds oder Walmart.
Am späten Nachmittag verlasse ich Texas und fahre in New Mexico ein. Leider ist
jetzt die Sonne einer dichten Bewölkung gewichen. Kurz nach Roswell, der UFO-Hauptstadt
der USA, bricht die Dunkelheit ein und es wird ziemlich schnell sehr kalt. Leider
fällt auch noch mein Scheinwerfer aus und die schnellste Lösung besteht für mich darin,
meine am Kopf tragbare Taschenlampe, die ich bis dahin kaum gebraucht hatte, mit Duct-tape-Klebeband
am Scheinwerfer zu befestigen. Es sind noch 120 Meilen, das werde ich so ja wohl
noch schaffen.
Während ich mich durch das kalte Dunkel vorarbeite, wird mir aber ziemlich
schnell klar, dass ich es heute nicht mehr bis nach Santa Fe schaffen werde:
meine Finger spüre ich kaum noch und der ganze Körper wird immer steifer. In Vaughn, einem kleinen Nest ca. 60
Meilen vor Santa Fe, kann ich vor Kälte kaum noch fahren und checke in ein
kleines Hotel ein.
Das Geld ist mir zwischenzeitlich ausgegangen. Morgen muss ich das erste Mal versuchen, in einer Bank Geld über meine EC-Karte zu bekommen. So
kratze ich alle Pennies zusammen und kaufe in der Tankstelle mein Abendessen: es
reicht für eine Tüte Cracker und Kässauce. Im Zimmer wärme ich erstmal unter
der heißen Dusche auf und verbringe anschließend den Abend mit Chips, Käsesauce
und heißer Schokolade vor dem Fernseher. Im weather channel berichten sie von Schnee in New Mexico und ich
denke mir: zum Glück nicht hier, das fehlte noch.
Am nächsten Morgen werde ich ziemlich schnell an die Meldungen im weather
channel gestern erinnert, denn der helle Schein, der von draußen hereinfiel kam
von frischgefallenem Schnee - es liegen schon ca. 20 cm und es schneit immer
noch wie verrückt. Im Weather channel berichten sie von Schneechaos auf den Autobahnen um Albuquerqe und Santa Fe und erst jetzt
realisiere ich wie hoch mein Zielort Santa Fe eigentlich liegt. Den Schnee hatte
ein Schneesturm gebracht, der über den Westen der USA hereingebrochen war und in den nächsten Tagen über das ganze Land
ziehen sollte. Schnell wird mir klar, dass ich mir auch dieses Mal Santa Fe wohl nicht ansehen
werde - der beste Weg ist der Weg zurück dahin, von wo ich gekommen war. Dort
soll es nur regnen.
Gegen zwölf, nachdem ich von einem Siemens-Nixdorf-Geldautomaten an der Tankstelle tatsächlich Geld über die EC-Karte
bekommen hatte, breche ich bereits jetzt schon frierend auf. Diese Fahrt ist die
absolute Hölle, zum Glück ist die Strasse aber nur nass, Glatteis bildet sich auf dem nicht sehr kalten Boden noch nicht.
Alle 10 Meilen muss ich anhalten, um mir die eiskalten und nassen Hände am heißen Zylinder der
KLR zu wärmen. Zwar weicht die weiße Landschaft mehr und mehr einer trüben
und nassen Suppe, aber viel wärmer wird es dadurch nicht. Nach ca. 100 Meilen gebe ich auf und beschließe -es ist
ungefähr 15 Uhr - mir einen schönen Nachmittag in einem gemütlichen Hotel in Roswell zu machen
und bei warmem Kaffee ein paar Karten zu schreiben. Gesagt, getan. Die heiße Dusche im Hotelzimmer
ist eines der schönsten Dinge, die ich jemals getan habe.
Am nächsten Morgen ist das Wetter trocken und auch die Sonne ist wieder da.
Dennoch ist es beißend kalt und ich überlege, wie ich den Weg nach Westen am
angenehmsten gestalten kann. Es gibt drei Möglichkeiten, die aber allesamt
über die von Nord nach Süd verlaufende Bergkette führen: entweder fahre ich
direkt hier von Roswell nach Westen, oder etwas weiter südlich über Alamogordo oder ganz unten an
der mexikanischen. Grenze entlang über El Paso. Beim Tanken befrage ich die
zwei älteren Damen an der Kasse, die mir wie die Golden Girls vorkommen. Nach
Ihrer Auskunft ist es von der Temperatur her egal, welchen Weg ich einshclage,
das heißt es wird auf alle Fälle wieder eine eiskalte Fahrt werden, eventuell
sogar mit Eis in den Bergen.
So beschließe ich, die zweite Rute zu nehmen, die auf der 82 über Artesia nach Alamogordo
führte. Vorsorglich decke ich mich noch mit ein paar billigen Arbeitshandschuhen als Innenfutter meiner nicht für den
Winterbetrieb geeigneten Motorradhandschuhe ein. Danach mache ich mich auf das schlimmste
gefaßt. Vielleicht kommt es mir dann aber gerade aufgrund dieser Erwartung dann
doch nicht so kalt vor; die Straße steigt zwar stetig an und auch der Schnee
kehrt zurück - zum Glück ist die Straße geräumt - aber so kalt wie gestern
wird mir nicht. Abwarten, wie es weiter oben wird. Zum Glück bestätigen sich
meine Befürchtungen nicht: auf dem höchsten Punkt in dem kleinen Ort Cloudcroft
ist zwar dann tiefster Winter, aber bis jetzt habe ich es gut durchgestanden und
von nun ab wird es steil bergab gehen in die Ebene, wo eher milde Temperaturen
zu erwarten sind.
Cloudcroft ist ein netter, kleiner Ort mit vielen Holzhäusern und
Westernatmosphäre. In einem netten Cafe gönne ich mir einen Hamburger mit Pommes Frites und
wärme mich mit Kaffee auf, während die Einheimischen an den Tischen in dem kleinen Raum lebhaft über die Dinge
diskutieren, die im Ort vor sich gehen; ohne mir große Beachtung zu schenken.
Von Cloudcroft aus geht es tatsächlich sehr rasch und steil die Berge hinunter und
es wird schnell wärmer bis unten in der Ebene bei Sonne und milden Temperaturen das Fahren endlich wieder so richtig Spaß macht.
Direkt am Highway liegt nach wenigen Meilen das White Sands National Monument, das wie sein Name schon sagt für seinen schneeweißen Sand bekannt ist.
Schon der Anblick ist sehr beeinduckend, diesen Sidetrip gönne ich mir und
löse eine Karte am Eingang. Irgendwann im Park endet die asphaltierte Straße
und von da ab geht es nur noch über den Sand. Beim Abstellen Motorrades habe
ich logischerweise gewisse Probleme, bis mir ein Amerikaner der mit seine Familie in einem
riesigen Wohnmobil unterwegs ist, eine Holzplatte zum Unterlegen unter den Ständer
bringt.
Wir kommen ins Gespräch und er erzählt mir - er ist kaum älter als vierzig - dass er mit seiner Frau und seinen drei Kindern schon seit
einienhalb Jahren durch Amerika fährt. Sie wollen in Kürze eine Vermietung für vollausgestattete Wohnmobile eröffnen und dazu gleichzeitig Touren anbieten.
Kurz vor Sonnenuntergang zeigt die Sonne sich noch einmal und es bieten sich fantastische Motive, die ich
ca. eineinhalb Stunden einzufangen versuche.
Da es ohne die Sonne wieder schnell kühl wird, fahre ich nur noch ca. 35 Meilen
bis nach Las Cruces, wo ich mir ein günstiges Hotel suche und wieder einen
gemütlichen Hotelabend verbringe.
Nach einer gut duchschlafenen Nacht freue ich mich am nächsten Morgen ganz
besonders auf das Ziel der Etappe. Denn sie führt mich nach Phoenix, wo
ich von August 1990 bis May 1991 an der Arizona State University zwei Auslandsemester
studiert hatte. Ich freue mich unheimlich darauf, den Campus wiederzusehen und
mir die Bars anzuschauen und zu sehen, wie sich alles verändert hat.
Es ist wieder ein sonniger Morgen mit eisig kalten Temperaturen, aber die Sonne wärmt die Wüstenlandschaft schnell auf und bis Mittag in Tucson sind es
schon ca. 20 Grad Celsius.
Gegen 15.00 erreiche ich Phoenix und checke in einem Hotel in der Nähe meines ehemaligen
Apartments ein.
Gleich unternehme ich einen Bummel über den großzügig und grün angelegten Campus der Arizona State University
(ASU) in Tempe mit seinen modernen Gebäuden und den riesigen Sportanlagen. Der
Recreation Center bietet ein voll ausgestattetes Fitness Areal, Tennis- und Raquetball-Plätze sowie ein großes Schwimmbad, das allerdings im freien liegt.
In der sogenannten Memorial Union kann man essen, was das Herz begehrt: von Pizza Hut, Burger King bis zu einer Kantine wird alles geboten und unten im
Untergeschoss findet sich sogar eine Spielhölle mit allen möglichen Spielautomaten.
Ich nutze zunächst die kostenlosen Highspeed Internet Terminals, um ein paar Mails zu schreiben und setze mich gegen Abend in eine Happy Hour Bar bei
ca. 20 Grad ins Freie und beobachte die Studenten.
Auch am nächsten Tag halte ich mich hauptsächlich an der Uni auf und kaufe im Sportshop einige ASU-Kleidungsartikel.
Später schaue ich mir eine Arts Fair auf der Mill Ave mit allen möglichen Kunstgegenständen und Handwerk an, hier gibt es von Photographien über Töpfereien bis Metallkunst eine breite Palette von tollen Dingen.
Die Mill Ave war damals schon der Hangout von vielen Studenten und bot mit
Live-Music-Bars sowie einigen Freiluft-Cafes und Bars einiges an Unterhaltung.
Sie hat sich seit meiner Zeit vor über zehn Jahren mächtig weiterentwickelt: es gibt jede
Menge Bars und Coffee Shops sowie Kunstshops und sogar ein riesiges Kino ist in einer Querstrasse schnell erreichbar.
Dies hier ist die perfekte Jahreszeit für einen Besuch, wenn man weiß wie heiß der Sommer hier ist.
Heute trete ich die letzte Etappe meiner zweimonatigen Reise an und mir kommt
es wie eine Ewigkeit vor seit ich Los Angeles verlassen hatte; es hatte jeden Tag
viele neue Eindrücke zu verarbeiten gegeben und ich hatte so viele verschiedene Orte und Landschaften gesehen: von Wüste bis zu Tropenwald, von wilden Pazifikstränden bis zu 3.000 m hoher Gebirgslandschaft war alles dabei und das beste dabei war, dass es
bis auf das Sauwetter in New Mexico genau einmal geregnet hatte und das war ein warmer
Tropenregen gewesen, der sehr erfrischend war.
Nach einem Frühstück an der Mill Ave breche ich auf, um auf dem 10er Freeway quer durch die Wüste nach Los Angeles zu tuckern. Immer wieder bin ich begeistert vom Anblick der Wüste den kargen Bergen in der Ferne, den trockenen Büschen in dem steinigen und felsigen Gelände, das nur wenige Mal im Jahr ein paar Tropfen Wasser bekommt.
Es wird wieder dunkel bis ich die 600 km geschafft habe und meine doch sehr stabile Taschenlampenkonstruktion hilft mir die letzten Kilometer in Los Angeles bis zu
Mikes Haus in Mission Viejo zurückzulegen.
Als ich erschöpft an die Tür klopfe, ist es wie eine Heimkehr zu meiner Familie und während ich ein Stück von Mikes Spezialpizza esse und dazu ein gutes Bud Ice trinke gibt
es jede Menge Fragen zu beantworten und Geschichten zu erzählen.....nach einer
Woche in LA habe ich alle Reisevorbereitungen zurück nach Deutschland geschafft
und noch ca. einen Monat bevor nach Weihnachten im neuen Jahr wieder der Alltag
anfängt...
...übrigens : das Motorrad steht noch in LA und wartet darauf, wieder mit mir über den Asphalt und Schotter zu tuckern...