Meinem Bruder ein Motorrad zu besorgen und sämtliche Formalitäten zu erledigen schaffen wir in Rekordzeit:
Allerdings muß ich bemerken, dass ich den Termin für die praktische Prüfung schon zwei Wochen zuvor auf Verdacht festgelegt hatte und wir das Motorrad bei einem Händler gekauft hatten, der die Zulassungsformalitäten für uns erledigte.
Es ist ein phantastisches Gefühl, als wir gegen Abend von Los Angeles aus aufbrechen und im Licht der untergehenden Sonne durch die Wüste in Richtung Las Vegas fahren: tausende der riesigen Kaktusbäume und die kargen, braunen mit Felsen übersäten Berge ziehen im Knattern der Motorradmotoren an uns vorbei. Wir kommen so gegen 21 Uhr am Las Vegas Boulevard, oder "the Strip" genannt, an und wir freuen uns wie die Kinder, als wir an den glitzernden Lichtern der Casinos den Strip entlangfahren. In der Einfahrt des Treasure Island bieten wir ein ungewöhnliches Bild: die mit Gepäck vollbepackten Maschinen, daneben zwei Typen in Motorradkluft und vom Helm zerzausten Haaren, während die restlichen Gäste aus ihren Luxuslimousinen steigen und sich die Falten aus den teuren Klamotten schütteln.
Es ist ein netter Aufenthalt: riesige Buffets für ein paar Dollar, ein paar Cocktails mittags in der Hitze an der super gestalteten Pool-Landschaft.
Nur mit dem Gewinnen haut es nicht so hin: beim Black Jack nehmen uns die Dealer in der Rekordzeit von drei Minuten unseren Spieleinsatz ab, mit dem wir uns eigentlich einige Stunden über Wasser halten wollten.
Die nächste Etappe in Richtung Utah/Arizona führt uns weiter durch heiße Wüstenlandschaft und beim Durchqueren des Zion National Park geniessen wir den eindrucksvollen Anblick der roten Berge, um abends schließlich in Page (Arizona) am Lake Powell anzukommen. Page ist eine Kleinstadt mit einem hohen Anteil indianischer Bevölkerung, die in de USA offiziell "native Americans" genannt werden. Am Abend schauen wir uns ein Football-Spiel der einheimischen High School-Mannschaft an und stellen fest, dass wir die einzigen Weißen sind. Das stört aber niemanden dort, uns auch nicht.
Am nächsten Tag frühstücken wir erst mal in aller Ruhe in einem typisch amerikanischen Roadhouse-Cafe mit dünnem Cafe bis zum Abwinken und heißen Pan Cakes mit Ahorn-Sirup. Wie in einem Film aus den fünfziger Jahren: die mit rotem oder braunem mit Kunstleder bezogenen weichen Bänke an den ebenfalls typischen Tischen mit künstlicher Holz-Maserung Marke 70er Jahre.
Anschliessend nehmen wir uns die zahlreichen Sehenswürdigkeiten der Gegend vor: Wir starten mit dem eindrucksvollen Horseshoe
Bend, wo man von einem Felsvorsprung in die über 200 m tiefe Schlucht des Coloradoriver blickt, der sich wie ein Hufeisen um das massive Gestein auf der anderen Seite der Schlucht legt.
Anschließend schauen wir uns den Antelope Canyon an, den man nur über eine ausschließlich von den ansässigen Indianern angebotene Tour besichtigen kann. Dazu geht es in einem alten Truck ca. 3 Kilometer über Stock und Stein, bis man den Eingang erreicht.
Der Antelope Canyon ist ein sehr enger Canyon, der ca. 10-20 m tief und meistens nicht breiter als 5-6m ist.
Durch die Enge des Canyons ergeben sich sehr interessante Effekte mit den Lichtstrahlen der Sonne, da oft nur ein dünnes Strahlenbündel durch den Canyon bis auf den Boden fällt und dort einen kleinen Lichtpunkt bildet. Sehr eindrucksvoll ist es, die verblüffend schnelle Wanderung des Lichtflecks auf dem Boden zu verfolgen. Leider ist der Antelope Canyon schon fast ein wenig überlaufen, so dass es leicht vorkommt, dass beim Fotografieren (Stativ ist unbedingt notwendig) jemand durch das Bild läuft.
Nach einem schönen Nachmittag in der Sonne am Ufer des im September noch sehr warmen Lake Powell und einem üppigen Barbecue am Abend brechen wir am nächsten Tag zum Monument Valley auf. Bei der Fahrt durch die Wüste und im Anblick der vereinzelten herausragenden Felsen im Gelände haben wir wieder das typische Freiheitsgefühl, das einen bei der Fahrt auf den
einsamen US-Highways so oft beschleicht.
Beim Anblick der riesigen alleinstehenden Felsen im Monument Valley muß man automatisch an die ganzen Western denken, die hier im Monument Valley gedreht wurden. Nur dass es sich bei
unserem Pferd um eines aus Stahl handelt...
Hier trennen sich die Wege von mir und meinem Bruder:
Im Licht der untergehenden Sonne fährt Flo weiter in Richtung Canyon de Chelly, um in drei bis vier Tagen in Texas seine Freundin zu besuchen.
Mein Weg führt mich auf sehr einsamen Highways nach Norden zur Glen Canyon National Recreation Area. Die Landschaft ist beeindruckend. Vor allem an einem Punkt, als ich nach einem sehr steilen Aufstieg über eine Schotterpiste
in die Ebene hinabblicke.
Da ich kein Zelt mit mir habe und Hotels hier Mangelware sind, verbringe ich die Nacht auf einem Tisch hinter der Ranger Station eines Campgrounds am Ufer des Lake Powell (Hite) bei milden Temperaturen und wild umherfliegenden Fledermäusen.
Der nächste Morgen bringt viel Sonnenschein und bei den
milden Temperaturen ist das Fahren ein Traum, zumal die Fahrt durch die Canyons des Capitol Reef National Park atemberaubend
ist. Leider bleibt nicht
viel Zeit mir die Gegend genauer anzuschauen, da ich möglichst schnell San Francisco erreichen
und dann nach LA zurückkehren will, um die lang erwartete Ausrüstung
(Aluminium Koffer, Sturzbügel, Motorschlagschutz) in Empfang zu nehmen und zu installieren,
damit das Mexiko-Abenteuer endlich beginnen kann.
Nach San Francisco sind es noch 800 Meilen und ich
muss zügig durchfahren, um die Strecke in zwei Tagen zu schaffen. Leider
stoppt mich eine Gewitterfront in Salina, Utah, so dass ich hier übernachten
muss. Am nächsten Tag jedoch ist das Gewitter verzogen und ich kann meinen
Weg durch die bergige Wüstenlandschaft fortsetzen. Auch wenn ich mich
wiederhole: es ist ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit, auf dem Motorrad
durch die einsame Wüstenlandschaft von Amerikas Westen zu fahren.
Ein weiteres Riesen-Erlebnis ist das Frühstück in einem dieser typischen Roadhouse Cafes in den kleinen Städten am Highway, wo im Laufe des Morgens sämtliche Bewohner vorbeikommen, ihre Pancakes essen und ihren Cafe trinken, die letzten Neuigkeiten mit der Bedienung austauschen und anschliessend an ihre Arbeit gehen.
In einem dieser Roadhouse Cafes in Delta, Utah, lernte ich den gebürtigen Holländer Sjoerd kennen, der mit seiner BMW gerade auf dem Weg zurück in seine Wahlheimat Kanada ist. Als ich ihm von meinen Reiseplänen nach Mexiko erzähle, fangen seine Augen zu leuchten an. Er holt eine alte, offenbar vielgereiste Mexiko-Karte aus seinem Motorrad und breitet sie mit der Bemerkung aus, dass er seit Jahren jede Straße auf der schon gefahren ist, markiert hat. Die Tatsache, dass auf der Karte fast jeder Highway angestrichen ist, zeigt mir eindrucksvoll, dass er jede Menge Mexiko-Erfahrung hat. Er nimmt mir mit seinen Erzählungen sämtliche Bedenken und schreibt mir fortan per Mail während meines Mexiko-Trips sämtliche Highways, Hotels und Routen, die er mir empfehlen kann. Tolle Erfahrung - so eine Begegnung in einem kleinen Kaff im Niemandsland von Amerika.
Ist zuvor die Landschaft teilweise sogar einigermaßen grün gewesen, so wandelt sie sich auf der Fahrt durch Nevada in eine fast nur mehr aus Steinen und Felsen übersäte Wüste, in der man auf gar keinen Fall liegen bleiben möchte. Selbiges passiert mir fast, da ich durch massiven Gegenwind und zügige Fahrweise wesentlich mehr Benzin verbraucht hatte als gedacht. Auf dem letzten Tropfen Benzin schaffe ich es in einen Wüstenort mit seltsamer Atmosphäre: Tonopah.
Tonopah ist eine alte Minenstadt und mich fasziniert
der inoffizielle Schrottplatz am Ortsausgang, wo jede Menge verrostete alte
Autos zwischen verlassenen und verfallenen Häusern stehen.
Beim Anblick der
noch teilweise vorhandenen, verfallenen Inneneinrichtung der Häuser frage ich
mich, welche Geschichten die Häuser und die Autos wohl erzählen würden und fast
war es, als ob ich die Stimmen der hier früher lebenden Menschen hören
kann.
Mit der bergigen Wüstenlandschaft im Hintergrund gibt es herrliche Motive zu fotografieren
und da es bereits abend ist, beschliesse ich, in einem der sehr günstigen Hotels die Nacht zu verbringen.
Am nächsten Morgen breche ich sehr früh auf und genieße die sonnige Fahrt auf
dem Highway 6 nach Westen. Daß man sich hier teilweise auf Pässen bewegt, die
über 2000 m hoch liegen, wird einem beim Anblick der Wüstenlandschaft gar nicht so richtig
bewusst. Kurz nachdem ich auf den Highway 120 abbiege, gibt es in Benton
Hot Springs mit alten VW Bussen vor verfallenen Werkstätten wieder jede Menge zu
knipsen, was ich in der Wärme der strahlenden Sonne sehr geniesse. Der Highway 120
windet sich von Benton Hot Springs aus stetig in höhere Lagen, bis die Wüste
sich langsam in alpine Landschaft wandelt.
Nicht weit entfernt vom Yosemite National Park führt er am berühmten Mono Lake vorbei, einem aufgrund seiner skurrilen Steinformationen schon in unzähligen Bildbänden verewigten Attraktion. Recht schnell gwinnt man nun an Höhe, bis man sich auf Höhe des Tioga Passes
ungefähr in 3030 m Höhe befindet.
Die anschliessende Fahrt durch den Yosemite National Park ist einer der Höhepunkte jeder USA-Reise und beeindruckt in vielerlei Hinsicht: die Höhe der felsigen Berge, die einem bei der Fahrt duch das Yosemite Valley unendlich hoch erscheinen, die rauschenden Wasserfälle und der Eindruck der puren Natur, der auch durch die Vielzahl der Touristen, die
sich jährlich den Park ebenfalls nicht entgehen lassen, keineswegs getrübt wird.
Nach Verlassen des Yosemite National Parks, geht die Fahrt in
Richtung Westen weiter. Ich verlasse die Berge der Sierra Nevada und in der Ebene verläuft der Highway abgesehen von ein par Hügeln fast flach. Ich
durchfahre immer häufiger kleinere Orte, die mehr und mehr zu kleinen Städten
werden. In dem Maße wie es in der Ebene heißer wird, sehe ich immer mehr
Obstfelder.
Als ich schließlich von der 120 auf den Freeway 205 abbiege und
der Verkehr immer dichter wird, weiß ich, dass San Francisco nicht mehr fern ist
und nach ca. einer weiteren Stunde Fahrt habe ich seit dem Morgen 400 Meilen
bzw. über 600 km zurückgelegt.
Nach der langen Fahrt in San Francisco anzukommen ist ein Super-Gefühl und
mitten im Feierabendverkehr bekomme ich auf der Oakland-Bay-Bridge die
Gelegenheit, ein Bild von der untergehenden Sonne zu machen, vor der sich winzig
klein die Golden-Gate-Bridge abhebt.
Da ich San Francisco schon einige Male besucht habe, fühle ich mich wie heimzukehren und freue mich auf einen schönen Abend in den Straßencafes der Chestnut Street nicht weit
entfernt von der berühmten Fishermen's Wharf.
Nach zwei Tagen Relaxen bei
herrlichem Sonnenschein - in S.F. findet der Sommer im September und Oktober
statt - freue ich mich auf den Heimweg nach Los Angeles entlang des Highway 1.
Die Gefühle, die man entwickelt, wenn man die Pazifik-Küste der USA auf dem Motorrad entlangfährt sind einfach unbeschreiblich. Da ist wieder dieses Gefühl von Freiheit, und das Gefühl zu fliegen kann nicht viel schöner sein wie wenn man auf den unzähligen Kurven die Küste mal direkt neben sich und mal mehrere hundert Meter unter sich hat. Da ich zügig nach Los Angeles durchfahren möchte, muß ich leider auf einen Besuch im absolut shehenswerten Aquarium von Monterey verzichten, aber kann zumindst einen Abend in einer Jazzbar mit Livemusik an der Cannery Row verbringen. In früheren Tagen war die Cannery eine Abfüllanlage für Fischkonserven, wurde vor Jahren jedoch liebevoll restauriert und mit geschmackvollen Restaurants und Bars ausgestattet.
Die nächste Nacht verbringe ich in Santa Barbara und genieße es, am Abend die
Haupstrasse mit den vielen netten Bars und Restaurants entlangzuwandeln. Durch
die Bekanntschaft mit zwei Irinnen wird der späte Abend bzw. die Nacht sehr
alkoholreich und lustig. Man sollte nur wissen, worauf man sich einläßt, wenn
man mit Iren bzw. Irinnen das Trinken anfängt.
Am nächsten Tag fahre ich
(mit Pappmache-Kopf) von Ventura aus auf dem Highway 126 nach Osten, um in
Victorville bestellte Ersatzteile wie Kupplungskabel, Reifenschläuche etc. für
mein Motorrad abzuholen. Die Fahrt ist sehr interessant, da sie durch einsames
Wüstengelände mit vielen kleinen Orten führt und sehr ähnlich zu dem Amerika
ist, wie es oft in den amerikanischen Roadmovies gezeigt wird.
Zurück in LA sind meine Aluminium-Koffer inkl. Halterung sowie die Crash bars
und das Skid Plate schließlich eingetroffen und ich beginne unmittelbar damit, alles zu
installieren, was sich auch recht problemlos an einem Nachmittag erledigen
lässt.
Das einzige Problem, das ich jetzt habe, ist, dass ich den Title,
sprich Fahrzeugbrief, noch nicht habe. Der ist zwar nicht unbedingt notwendig
für eine Reise durch die Baja California, aber für Zentral-Mexiko schon.
Auf
mein Nachfragen beim DMV (department for motor vehicles) bekomme ich schliesslich
heraus, dass mein Händler in Victorville für die Registrierung 2 Dollar zuwenig
an die DMV-Zentrale in Scaramento geschickt hatte. Deshalb wurde alles
zurückgeschickt und der ganze Prozeß, der so schon mind. 3 Wochen dauerte begann
von neuem - große Begeisterung.
Die Zeit nutze ich, um den 6000mi Service
durchführen und einen Satz neuer Reifen aufziehen zu lassen. Als Reisereifen wähle ich nach intensiver Beratung durch den Kawa-Händler vor Ort den Michelin Sirac, da ich die geplanten 6.000 - 8.000 mi in Mexiko ohne Reifenwechsel durchstehen möchte. Ich hatte im Vorfeld schon von einigen Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen gehört. Mit diesem langlebigen Reisegummi kaufe ich mir jedoch auch eine deutlich schlechtere Offroad-Fähigkeit ein (Offroad-/Onroad-Verhältnis: 20:80).
Schließlich erhalte ich im Oktober endlich den lang ersehnten Title, so dass ich endlich aufbrechen kann. Insgesamt fessle ich ich fünf Gepäckstücke auf die KLR: zwei Aluminium-Koffer (der eine enthält neben einigen Kleidungsstücken zum Schlagschutz fast ausschliesslich die Kamera-Ausrüstung und der andere das Camping- und Motorradequipment), zwei Drybags mit Klamotten, Schuhen, Zelt Schlafsack etc. Im Tankrucksak schließlich verstaue ich meine Reisebücher und Unterlagen sowie meine unzähligen Kassetten für den Walkman. Eine ausführliche Gepäck-Liste findet Ihr unter der Rubrik Reistipps.
Am Sonntag, den 13.10.2002 schließlich breche ich bei Nebel morgens in LA auf, verabschiede mich von meiner Amerika-Familie und begebe mich auf den Freeway 5 nach San Diego. Die Fahrt dauert circa 1,5 Stunden und zur Übernachtung wähle ich ein Hotel nahe der Grenze. Überall dort kann man eine KFZ-Haftpflicht-Versicherung für Mexiko abschließen, was ich auch gleich erledige: 180 $ für ca. zwei Monate. Am Nachmittag schaue ich mir den Balboa Park mit seinen verschiedenen interessanten Museen an. Den Abend verbringe ich im Gas Lamp Quarter, einem sehr lebendigen historischen Stadtteil mit vielen netten Restaurants und Bars.