Von Acaponeta breche ich am nächsten Morgen sehr früh auf, um möglichst früh das
heutige Etappenziel zu erreichen: Tequila. Das ist nicht nur der Name für das Städtchen,
das ich heute besuchen möchte, sondern auch das Thema, um das es sich hier
hauptsächlich dreht. Vielleicht schaffe ich es heute noch, an einer
Besichtigungstour durch eine Destillerie teilzunehmen. Tequila liegt in der Nähe der zweitgrößten Stadt
Mexikos Guadalajara.
Durch diese Route muss ich leider auf den Besuch von Puerto Vallarta an der Pazifikküste verzichten. Puerto Vallarta soll
trotz seiner ausgeprägten touristischen Orientierung eine sehr schöne Altstadt haben und ein nettes Ambiente bieten.
Ziemlich bald erreiche ich den Staat Jalisco, der für den Abwechslungsreichtum
seiner Landschaft bekannt
ist: kühle Pinienwälder,
grüne Weiden und tropischer Dschungel.
Die Fahrt verläuft in der Tat sehr abwechslungsreich, sie führt durch semitropische Landschaft mit
vielen kleinen Orten, aber auch Gebieten, die - an der Lava erkennbar- von Vulkanaktivitäten geprägt sind. Auch Ruinen passiere ich
auf dem Weg (Ixtlan del Rio) nach Tequila. Ein weiteres Charakteristikum, für das Jalisco bekannt ist, ist die große Produktivität, die von
Kunst (Glaswaren, Gitarren) bis zu Avocados und, wie gesagt, - Tequila reicht.
Die Verwüstung des Hurricanes, der während meiner Zeit auf der Baja auf das Festland traf,
ist noch
deutlich zu sehen. Typisch für die vielen Dörfer auf dem Weg, sind die vielen Hunde, die Topes zur
Geschwindigkeitsbegrenzung, die Taco- und Obststände sowie die Dorfbewohner, die sich strategisch an den Topes aufstellen, um den
durch die Topes abbremsenden Passierenden ihre Erzeugnisse zu verkaufen.
Je näher ich Tequila komme, desto häufiger sehe ich die weiten Agavenfelder mit den blaugrauen Kaktuspflanzen, deren regelmäßige
Anordnung sehr schön anzuschauen ist.
Die Agave ist die Pflanze, aus der Tequila hergestellt wird und im Ort selbst sind mehrere Tequiladestillerien ansässig u.a. eine der
bekanntesten überhaupt: Jose Cuervo. Nach der Ankunft finde ich ein sehr nettes kleines Hotel direkt im Zentrum
und das schöne, mit TV
ausgestattete, saubere Zimmer ist zudem noch sehr günstig (150 Pesos) - eine perfekte Kombination. Das Motorrad
darf ich auch noch sicher direkt in der Lobby parken.
Auch mein Vorhaben mit der Destillerie-Tour klappt: Als einziger Teilnehmer bekomme ich eine private Tour von einer
19-jährigen Mexikanerin, die mir eine typische Destillerie zeigt und den
Herstellungsprozess erklärt. Erstaunlich ist, daß die Pflanzen
erst nach 8-10 Jahren zur Verarbeitung ausgereift sind. Entgegen meiner bisherigen Auffassung werden auch nicht die Blätter der
Agave zur Tequila-Herstellung verwendet, sondern die fußball bis medizinballgrosse Knolle, die in der Erde wächst.
Seit dem 17. Jahrhundert wird in Tequila gebrannt und jährlich werden über 100
Mio. Liter produziert. Die anschließende Tequilaprobe fällt leider
ein wenig kurz aus, da meine Führerin selbst keinen Tequila trinkt und alleine
trinken macht mir nicht so viel Spaß.
Das Eindrucksvollste an der Kleinstadt Tequila ist die sehr große und
mächtig wirkende Kathedrale. Aber auch die kleinen, gemütlichen Einbahnsträßchen
mit ihren unzähligen Tante Emma-Tequilashops gefallen mir sehr gut.
Für den weiteren Verlauf der Reise plane ich, im Süden die Pazifikküste zu
erreichen und diese in Richtung Osten bis an die Grenze von Guatemala
entlangzufahren.
Nachdem ich am nächsten Tag meine Zelte in Tequila wieder abbreche, wird auf dem
kurzen Stück nach Guadalajara der Abstand zwischen den Dörfern immer geringer und der Verkehr immer dichter. Da ich kein
Freund vom Fahren in den großen Städten bin - vor allem nicht in Mexiko - verzichte ich auf den Besuch von Guadalajara, obwohl
die Stadt trotz ihrer Größe viele der Probleme, die Mexiko City hinsichtlich Verkehr, Verschmutzung und Kriminalität hat,
nicht aufweist und sehr charmant sein soll.
Das Umfahren auf der Landstraße 15 gestaltet sich nicht schwierig.
Mein Mittagessen plane ich, am Ufer des ziemlich
großen, südlich von Guadalajara gelegenen
Lago de Choppala einzunehmen. Leider suche ich in der am direkt am Lago
angesiedelten Stadt eine Uferpromenade vergebens, so dass ich beschließe,
stattdessen am zentralen Zocalo zu speisen. Dies ist in Mexiko immer sehr unterhaltsam. Der See an sich ist meiner Meinung nach
auch nicht sehr sehenswert, da das Wasser durch seine braune Farbe ziemlich verschmutzt wirkt.
Am Nachmittag ist der sonst so sonnige Himmel leider bewölkt, so dass ich die Landschaft nicht als besonders
bemerkenswert empfinde. Gegen Abend erreichte ich
Zacapo, eine häßliche Stadt, bei der nicht einmal meine sonst so wirkungsvolle Strategie zur Hotelsuche aufgeht.
Dies liegt daran, daß hier anders als sonst die heruntergekommensten Hotels
direkt am Zocalo liegen. Vor dem Abstieg in einem dieser Löcher bewahrt mich
glücklicherweise ein Deutscher, der mich aufgrund meiner Deutschland- Aufkleber
am Gepäck anspricht. Frank, so sein Name, geleitet mich sodann mit seinem Auto zu einem recht sauberen Hotel mit
bewachtem Parkplatz.
Zum Abendessen verabreden wir uns im Deutschen Haus, das vom zweiten in Zacapo
lebenden Deutschen geführt wird. Frank
arbeitet seit drei
Jahren für eine deutsche Firma hier als Ingenieur und ist mit einer Mexikanerin aus Zacapo verheiratet. Der Restaurantchef Martin
aus Frankfurt ist ebenfalls mit einer Mexikanerin aus Zacapo geheiratet. Ansonsten gibt es aus meiner Sicht keinen Grund hier auch
nur einen ganzen Tag zu verbringen.
Frank erzählt mir beim Abendessen eine Horrorgeschichte von einem Freund, der schuldlos bei Nacht einen die Strasse
überquerenden
Landstreicher überfahren hatte und wegen der sehr wahrscheinlichen Verurteilung
(in Mexiko sind Ausländer bei Verkehrsunfällen grundsätzlich fast immer schuld) noch in derselben Nacht das Land verlassen hatte
- also aufgepaßt.
Am nächsten Morgen breche ich sehr früh auf, um nach langer Zeit "über Land" endlich mal wieder Meeresluft zu schuppern. Gegen Abend möchte ich bei Playa Azul an der Pazifikküste die Füße ins Meer strecken. Leider wird mir aber schon nach wenigen Kilometern unsanft ein Strich durch die Rechnung gemacht: Beim Fahren in einer Kolonne mit vielen LKWs habe ich nach dem Ende des Überholverbots die erste Gelegenheit zu überholen und schere nach links aus. Fast im selben Moment kracht es links hinter mir und ich spürte einen Ruck nach vorne. Ein bereits unerlaubt überholender LKW war in meinen linken Alukoffer hineingefahren und beim Umdrehen sehe ich den Deckel sowie einige Tüten wegfliegen. Mein Fehler war, daß ich vor dem Ausscheren nicht nach links geschaut hatte, was ich sonst immer mache. Jedoch dadurch, daß eigentlich ich die erste Gelegenheit zum Überholen hatte und nicht damit rechnete, daß jemand halsbrecherisch schon vorher zum Überholen ansetzt sowie bedingt durch die "Morgenmüdigkeit", hatte ich es diesmal leichtsinnigerweise sein lassen. Großes Glück war , dass ich nicht zu Fall kam. Da der von hinten Auffahrende in Mexiko immer Schuld hat, war der LKW ohne anzuhalten weitergefahren. Ich stelle das Motorrad auf dem Seitenstreifen ab, sammle meine sieben Sachen ein und schnaufe benommen erst einmal tief durch: Das war gefährlich und hätte leicht das Ende der Reise sein können ! Die Straße liegt wieder einsam und verlassen da und ich überlege, was ich jetzt wohl am besten tue: Der Koffer ist total verbogen und sieht von oben aus wie eine Raute. Ich inspiziere erstmal meine Kamera, die sich in dem Koffer befindet und zum Glück hat sie den Vorfall ohne Schaden zu nehmen überstanden. Ich beschließe, sie in den anderen Koffer zu packen und den Deckel des beschädigten Koffers mithilfe meiner Ersatz-Gepäckspanner provisorisch zu befestigen. Im ca. 70 km entfernten Uruapan will ich versuchen jemanden zu finden, der mir den Koffer wieder provisorisch zurechtbiegt, damit der Deckel wieder paßt und ich mein Gepäck wieder abschließen kann. Beim Umpacken der Koffer gibt es noch eine unangenehme Überraschung, denn ich finde einen toten Skorpion, der sich offenbar in den Koffer verirrt hatte und dort verendet war - wieder mal Glück: wenn der noch gelebt hätte! Kurz vor dem Abfahren bemerke ich einen wilden Hund, der mich wohl schon eine ganze Weile lang beobachtet. Wieder mal rast ein kleiner Adrenalinschub durch meinen Körper, da ich nicht weiß wie er reagieren wird. Also mache ich, daß ich zügig weiterkomme.
Die Fahrt nach Uruapan kann ich nicht genießen, da ich nicht weiß, wie sich die Sache mit meinem verbogenen Koffer weiterentwickeln
wird und auch die Tatsache schon zweimal meinen Schutzengel extrem beschäftigt
zu haben, belastet mich.
Jedoch ein Ort fällt trotz allem positiv auf. Paracho ist für den Bau von Saiteninstrumenten bekannt. Fast jedes Haus am
Straßenrand ist entweder eine Werkstatt oder ein Fachgeschäft für Gitarren und
sonstige Zupfinstrumente. Normalerweise
würde ich mich ganz gerne
hier ein bißchen näher umsehen, aberdafür bin ich momentan nicht in der Stimmung.
Am Ortseingang von Uruapan gibt es jede Menge Autohändler und Werkstätten und
ich denke, ich habe ganz gute Chancen, einen geeigneten Shop zu finden. Schon beim ersten Stopp rutscht mir
allerdings auf dem Schotter der Vorderreifen weg und ich liege schneller als ich schauen kann -
ist heute wohl nicht mein Tag. Die Suche nach einem
geeigneten
Geschäft ist wider Erwarten zunächst nicht fruchtbar und so beschließe ich,
erstmal ein Hotel im Zentrum
zu suchen, das Motorrad zu entpacken und dann entspannt das Projekt
"Kofferreparatur" anzugehen.
Leider finde ich im Zentrum nur hochpreisige Hotels
mit Zimmern für 550-600 pesos ($55-60). Uruapan ist im Vergleich zu den Städten, die ich vorher besuchte, eine recht
große Stadt und macht einen
wohlhabenden Eindruck. Im Zentrum herrscht große Betriebsamkeit und der Zocalo ist
sehr gepflegt. Einige km
entfernt vom Zentrum
finde ich dann nach mässig langer Suche zufällig ein nettes kleines Hotel, das ein günstiges und gut
ausgestattetes Zimmer (TV) für mich hat. Für das Motorrad gibt es einen abgeschlossenen Parkplatz in einer
Seitenstrasse. Der einzige Nachteil hier ist das heruntergekommene und schäbige
Viertel, in dem das Hotel liegt. Auf der Straße lungern einige zwielichtige Gestalten herum und beobachten mich und das Motorrad neugierig.
Irgendwie bekomme ich ein komisches Gefühl hier.
Mein Glück läßt mich jedoch nicht im
Stich: im Hotel bekomme ich einen Hinweis auf einen Metallbearbeitungsshop, der
sich nur 50 m die Seitenstraße hinunter befindet. Diesen Shop empfehlen mir auch
zwei der Compadres, die mich beim Verlassen des Hotels ansprechen und gleich
dorthin begleiten. Sie sind eigentlich doch ganz freundlich und stellen mir
viele Fragen über meine Herkunft und bisherige Reise. Dennoch bleibt bei mir ein
gewisses Mißtrauen bestehen. Am Shop angekommen bietet mir einer der Mitarbeiter
an, den Koffer für 150 Pesos (entspricht ca $15) soweit zurechtzubiegen, dass ich ihn wieder abschließen kann.
In zwei Stunden wäre er fertig. Er wirkt vertrauenswürdig und der Preis ist auch sehr akzeptabel.
Also sage ich zu. Die Wartezeit möchte ich nutzen, um einen kleinen Stadtbummel zu machen und etwas zu essen. Das Stadtzentrum
rund um den Zocalo ist sehr belebt und mit den vielen gut ausgestatteten
Läden und Kaufhäusern, den Banken und großen Hotels ist man hier nicht so weit
von den Standards entfernt, wie wir sie z.B. in Europa gewohnt sind.
Als ich zu der Werkstatt zurückkehre, bin ich sehr gespannt, wie sich die
Reparatur meines Koffers wohl so entwickelt hat. Zusammen mit Francisco, einem der herumlungernden Jungs gehe ich zum Shop.
Der Koffer ist fertig, leider hatte ihn der Spezialist nicht mehr in den Ausgangszustand bringen
können, da sich Aluminium ausdehnt. Aber wie schon angedeutet sind die Mexikaner ja
Meister der Improvisation, und er hatte es zumindest geschafft, daß der Deckel
mit einem Spalt von 1-2 Zentimetern einigermaßen auf den Koffer paßt und ich
ihn wieder
abschließen kann. Ich gebe ihm noch 100 Pesos Trinkgeld und bin erleichtert, dass ich so die Reise fortsetzen kann. Nur Regnen
darf es jetzt halt nicht mehr. Bisher hatte es das ja aber auch nicht getan.
Auch bei Francisco zeige ich mich mit 50 Pesos für die Übersetzungshilfe erkenntlich,
worauf er mir gleich Marihuana zum
Kauf anbietet, was ich aber freundlich ablehne.
Die Gegend erscheint mir nach wie vor überhaupt nicht sicher - erst recht
nicht, nachdem sich Francisco und seine Freunde sehr dafür interessieren,
wo ich das Motorrad über Nacht parke. Bei meiner Inspektion des Parkplatzes
stelle ich auch noch fest, dass er nur durch ein kleines
Vorhängeschloss gesichert ist. Um meine Ruhe zu finden, frage ich im Hotel, ob es möglich sei, das
Motorrad statt auf dem Parkplatz im Foyer zu parken. Leider lehnt die Rezeptionistin
dies ab und ich beschließe daraufhin,
auch auf die Gefahr hin für paranoid gehalten zu werden, in eines der teuren,
zentralen Hotels für 550 Pesos umzuziehen. Das gönne ich mir jetzt einfach nach
den Schrecken des Tages.
Gesagt, getan: herrlich, so ein grosses und sauberes Hotelzimmer.
Den Abend verbringe ich in einem gemütlichen Restaurant und anschließend lese
ich in einem kleinen Cafe noch ein bisschen und beobachte die Leute auf dem
Zocalo. Dort spielt eine lokale Band und rückblickend bin ich mit dem Ausgang
des heutigen Tages recht zufrieden.
In der Nacht habe ich viel Gelegenheit zum Fernsehen, da ich im Cafe anstatt des sonst üblichen Instant-Kaffees richtigen Cafe
bekommen hatte und glockenwach bin. Aber zum Trost ist das TV-Programm sehr gut.
Am nächsten Morgen möchte ich einige Reiseschecks bei meiner Stamm-Bank Santander eintauschen, jedoch möchte der
Angestellte diesmal eine Gebühr kassieren. Das sehe ich ja gar nicht ein.
Schliesslich hat es bisher auch nichts gekostet. Also versuche ich es
bei der Bancomer-Bank - mit Erfolg.
Nach dem Packen setze ich die Fahrt in Richtung Süden zur Pazifikküste fort und bin mir
sicher, sie heute endlich zu erreichen. Daß das wieder nicht klappen würde, kann
ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Die Strasse
führt durch die einsamen Berge des Staates Michoacan. Städte gibt es hier gar
nicht mehr, nur ab und zu komme ich
durch ein kleines Dorf. Der Wohlstand von Uruapan kam hier offenbar nicht an:
die meisten der Häuser bestehen nur aus dünnem, zusammengeflickten Wellblech.
Mitten im Nirgendwo sehe ich plötzlich eine über die Strasse gespannte Schnur und an beiden
Enden stehen Kinder. Was ist das denn? Erschrocken bremse ich ab, aber fasse mich dann
schnell wieder. Etwas abseits der Straße steht ein einsames Haus, in dem
die Familie offenbar wohnt. Schelmisch, aber irgendwie nett, fragen die Kinder nach Wegezoll und
da ich das irgendwie originell finde, gebe ich Ihnen ein
paar Pesos.
Mitten in den einsamen Bergen nun die nächste unangenehme Überraschung, die das nächste Hindernis
zwischen mir und der Pazifikküste bildet: Plötzlich fängt das Motorrad langsam an,
leicht zu schlingern, was sich jedoch recht schnell verstärkt. Zunächst wundere
ich mich über die nicht sichtbaren Spurrillen, jedoch ziemlich schnell wird mir
klar, daß ich einen Platten habe. Kommen die Probleme jetzt etwa im Tagestakt ? Zum Glück habe ich das Reifenfix
dabei und sprühe den Doseninhalt in den Reifen, der sich tatsächlich aufpumpt. Schnell packe ich alles zusammen und fahre weiter,
damit sich die Dichtungsmasse gut im Reifen verteilen kann und das Loch - im
Reifen hatte ein Nagel gesteckt - abdichtet.
Leider hilft das nichts, denn ca. 5 min später ist der Reifen wieder platt und ich komme in einer
engen Kurve zum Stehen. Notdürftig pumpe
ich den Reifen mit meiner kleinen Handpumpe auf und fahre das Motorrad an den Seitenrand auf der Geraden.
Es ist ca. 15.30 und bis
zum Einbruch der Dunkelheit habe ich 2 Stunden, um das Rad zu entfernen und den neuen Schlauch zu installieren.
Müßte eigentlich hinhauen, allerdings kenne ich beim Schlauchwechsel am Motorrad
nur die Theorie.
Als ich gerade dabei bin, das Hinterrad zu entfernen, hält ein Pickup und eine junge
Mexikanerin steigt aus. Sie fragt freundlich,
ob sie mir helfen kann. Als ich ihr von meinem Problem erzähle, bietet sie mir an, das Motorrad auf Ihrem Pickup bis zur nächsten Llantera, einem Reifenhändler, zu fahren, um den Reifen flicken zu lassen. Sie beschließt,
daß das der beste Weg sei und fordert
resolut ihren Freund auf, mir beim Hochhieven des Motorrades auf die Ladefläche zu helfen. Obwohl ich wahrscheinlich kein Problem hätte, das Problem eigenständig zu lösen, scheint mir dieser Weg besser: so komme ich
bestimmt schneller wieder auf
den Weg und erreiche die Küste noch bei Tageslicht. Der Fahrer eines Corona-Trucks hilft auch noch mit und somit landet die
vollbepackte KLR doch recht schnell auf der ca. 1,20
hohen Ladefläche des Pickups - so leicht könnte man sie auch klauen. Zur Llantera
fahren wir ca. eine halbe Stunde und die Werkstatt, eine Hütte des aus vier oder
fünf Hütten bestehenden Dorfes, ist gleichzeitig mit Bett ausgestattet und somit
das Wohnzimmer des Meisters. Er steht mühsam auf und Rosalia, meine Retterin, erklärt ihm das Problem.
Zusammen
tauschen wir in ca. 30 min den Schlauch ausgetauscht und er flickt mir sogar noch den alten Schlauch. Entlohnung will er nicht, aber da ich froh bin, dass wir das doch recht schnell
lösen konnten, gebe ich ihm 150 Pesos Trinkgeld. Auch bei Rosalia und
ihrem Freund bedanke ich mich herzlich. Trotz des Vorfalls bin ich guter
Stimmung, da ich eine weitere sehr positive Erfahrung mit den Menschen dieses
schönen Landes gemacht hatte.
Jetzt ist es 17.15 und mir bleiben nur noch ca. 60 min für 120 km Landstrasse bis zum Einbruch der Dunkelheit - zu wenig. Etwas
besorgt bin ich, da mich auch Rosalia vor schlechten Menschen in dieser Gegend gewarnt hatte.
Aber alles geht gut und nach ca. 90 min - davon 30 min im
Dunkeln - erreiche ich Arteaga, einen weiteren
Mini-Ort, der aber ein kleines Hotel hat. Ich checke ein (150 Pesos) und bekomme
ein kleines Zimmer mit Fernseher. Super, so kann ich mich beim Fernsehen von den heutigen Strapazen erholen kann.
Hungrig bin ich. Im kleinen neben dem Hotel gelegenen Tante Emma-Laden regt von der mageren Auswahl nur eine Dose mit eingelegten
Peperoni meinen Appetit an. Aber besser als nichts. Vor dem kleinen Shop sitzen etwa zehn Dorfbewohner, junge und alte, und
mustern mich neugierig.
Einer spricht mich an und kurz darauf stürzen einen Haufen Fragen auf mich ein. Die Atmosphäre ist sehr freundlich und obwohl
ich nur die Hälfte von dem verstehe, was mir der Redeführer erzählt, ist die
Situation ganz lustig, vor allem, als sie mir eine Frucht
ähnlich einer Zitrone geben und behaupten, dass man sie mit Schale ißt. Ich
vertraue dem Chef mal, andernfalls sollen sie Ihren Spaß haben, und tatsächlich
bleibt der penetrante Schalengeschmack einer Zitrusfrucht aus. Sie schmeckt sogar erstaunlich gut.
Ich verabschiede mich, um zurück im Hotel endlich meinen nun scheinbar
unstillbaren Hunger zu bekämpfen. Auf meinem kleinen Campingkocher koche ich die Peperoni und kann unter Tränen nur ca. ein
Drittel essen, obwohl
ich hungrig wie ein Wolf bin - das Zeug ist das Schärfste was ich bisher in Mexiko gegessen habe und auch den
obligatorischen
Nachtisch-Kaffee kann ich kaum trinken, weil mir mein Mund brennt wie Feuer.
Erschöpft von dem wieder mal ereignisreichen Tag, schlafe ich mit der
Berieselung von amerikanischen Sitcoms ein.